April 2024 – Zweifinger-Faultier „Morpheus“ on tour.

Nachwuchs aus dem Nordhorner Tierpark nach Stuttgart umgezogen.

Wenn Zootiere umziehen, dann reisen sie in der Regel 1. Klasse. Im Fall von Faultiernachwuchs „Morpheus“ bedeutete das: eine geräumige Faultierkiste mit Ast zum Festhalten, weiche Decken am Boden und prall gefüllte Futterschalen. Ziel seiner Reise: die Wilhema, der Zoologisch-Botanische Garten in Stuttgart. Dort soll „Morpheus“ in das Amazonienhaus zu den beiden Faultierweibchen „Edeka“ und „Aluna“ ziehen. „Edeka“ ist mit ihren 10 Jahren ein erfahrenes Zuchtweibchen, dessen 3. Jungtier „Aluna“ ebenso wie „Morpheus“ 2022 geboren wurde. Wenn sich alle drei gut verstehen, soll Morpheus zukünftig für Nachwuchs in der neuen Wohngemeinschaft sorgen.

Das mit dem „gut verstehen“ ist leider keine Selbstverständlichkeit bei Faultieren. In der Natur sind die zu den Nebengelenkstieren zählenden Südamerikaner eher Einzelgänger. Die einzig längere soziale Bindung, die diese skurrilen Regenwaldbewohner aufbauen, ist die zwischen Mutter und Kind. Man kann Faultiere daher nicht wie Antilopen in großen Gruppen halten. „Schon die Haltung von einem Männchen zusammen mit zwei Weibchen wie jetzt neu in Stuttgart oder auch bei uns in Nordhorn ist eine Seltenheit“, berichtet Kuratorin und Zootierärztin Dr. Heike Weber.

In der Regel bringt ein weibliches Zweifinger-Faultier nach einer Tragzeit von 11 Monaten ein Jungtier zur Welt. Das Junge ist vollentwickelt, hat die Augen geöffnet und besitz bereits sofort einen sehr stark entwickelten Klammerreflex. Dieser ist überlebenswichtig, denn es muss sich die folgenden 6 Monate am Fell seiner Mutter eigenständig festklammern und ist von ihrer Milchquelle sowie den Blättern, die sie greift und kaut, abhängig. Als Säugetiere trinken Faultiertierjunge 6-10 Monate lang Milch, fangen aber schon nach einigen Tagen an auch feste Nahrung aufzunehmen. In der Natur sind dies verschiedene Blattsorten, im Zoo zusätzlich unterschiedlichste Salat- und Gemüsesorten.

Der Tierpark Nordhorn hält seit 24 Jahren Zweifinger-Faultiere (Choloepus didactylus) und ist bekannt für seine Zuchterfolge. Seit 2005 gibt es regelmäßig Nachwuchs, was das Europäische Erhaltungszuchtprogramm (EEP) dieser Tierart sehr freut. Die Zuchtbuchleiterin des EEPs, das im Zoo Halle geführt wird, weiß genau, welches Faultiere in welchem Zoo lebt. Sie errechnet mit Hilfe eines Computerprogrammes die Verwandtschaftsverhältnisse und macht Vorschläge, in welchen Zoo nachgezüchtete Faultiere abgegeben werden sollten.

Im Jahr 2022 hatten im Tierpark Nordhorn beide Zuchtweibchen jeweils erfolgreich ein Jungtier aufgezogen. „Manni“ von Zuchtweibchen „Gypsie“ wurde auf die EEP-Empfehlung hin 2023 bereits an den Zoo Beauval in Frankreich abgegeben. Für „Morpheus“ von Zuchtweibchen „Wutz“ ging es erst jetzt „on tour“. „Er lag für ein Faultier ungewöhnlich lange auf dem Bauch seiner Mutter und hat gern noch ihre Milchquelle genutzt. Und auch danach hat er viel Zeit mit seiner Tante Gypsie zusammen im Schlafkorb verbracht. Da die ungewöhnliche Gruppenstruktur so harmonisierte, haben wir bei „Morpheus“ mit der Abgabe noch etwas gewartet“, schmunzelt Weber. Aber nun wurde es auch für ihn Zeit.

„Wir hoffen, dass sich Morpheus zwischen all den neuen Mitbewohnern im Amazonienhaus der Wilhelma gut einleben wird“, so Zoodirektor Dr. Nils Kramer. Denn neben dem neuen Gehege und den beiden Faultierdamen wird „Morpheus“ auf für ihn noch unbekannte Sakis, Goldkopflöwenäffchen und diverse Schildkrötenarten treffen. Immerhin kennt er aus Nordhorn Blaulatzsittiche, Landschildkröten und auch Totenkopfaffen – letztere aber nur aus seiner kurzen Quarantänezeit und nur auf Entfernung. Spannend wird es also allemal für ihn werden!

 

Fotos:

Faultier „Morpheus“ in seiner Transportbox kurz vor der Verladung – Tierparkarchiv

Die Transportbox wird verladen und die Zoomitarbeiter verabschieden sich von dem in Nordhorn geborenen Faultier – Tierparkarchiv