Das leere Schimpansengehege wird in Coronazeiten kurzfristig zum Zuhause für Gänse und Enten.

Es ist noch gar nicht so lange her: im Herbst 2019 hatten die beiden letzten Schimpansen, Nancy und Lomela, den Tierpark Nordhorn verlassen. Nach jahrzehntelangen Versuchen war es endlich gelungen, einen guten Zoo zu finden, der sie übernehmen wollte. Ende Oktober letzten Jahres zogen die beiden älteren Damen dann nach Belgien, in den Zoo von Antwerpen. Ihre wichtigste Bezugsperson, die Revierleiterin Gwen Bron, ist damals mitgereist und hat bei der Eingewöhnung geholfen. Jedoch auch danach hat sie den Kontakt zu den Antwerpener Tierpflegern aufrechterhalten. Die haben regelmäßig Berichte, Fotos und Videos der beiden Ex-Nordhorner Schimpansendamen geschickt und über die Gruppenzusammenführung berichtet. Denn nicht nur Lomela und Nancy, sondern auch eine weitere Schimpansin aus einem anderen Zoo ist 2019 nahezu zeitgleich in Antwerpen aufgenommen worden.

„So ein Eingliederungsprozess dieser hochentwickelten Primaten ist nicht einfach und zieht sich oft über Wochen und Monate hin“, sagt Kuratorin Dr. Heike Weber. In Nordhorn hat sie selber zweimal mitbekommen, wie neue Tiere eingegliedert wurden. „Das waren aber beide Male nur Einzeltiere, die mit 2-3 anderen, nicht züchtenden Schimpansen, zusammengeführt wurden. Ein deutlich einfacherer Prozess als die Integration mehrerer Schimpansen in eine bestehende Großgruppe“, so Weber. In jedem Fall braucht es ein sehr versiertes Tierpflegerteam, das die Tiere und ihr Verhalten genau kennt. Denn jeder Menschenaffe ist eine individuelle Persönlichkeit, hat Vorlieben und Abneigungen, Verhaltensstärken und –schwächen. Die ehemalige Zirkusschimpansin Nancy zum Beispiel ist sehr strebsam, trainiert und arbeitet gerne mit Menschen zusammen und ist im Vergleich zu Lomela viel ruhiger und gelassener. „Es war nicht erstaunlich zu sehen, dass Nancy sich beim Zusammenlassen mit den anderen Schimpansen mehr zurückgehalten hat, während Lomela deutlich schneller Kontakt aufgenommen hat!“ berichtet Gwen Bron.

Um nicht zu viel Chaos, Stress und Streit auf einmal auszulösen, wurde der Prozess der Integration in Antwerpen ganz behutsam und in vielen kleinen Schritten durchgeführt. Es begann zum Beispiel mit dem Hereinbringen eines
einzelnen, sehr freundlichen, ranghohen männlichen Schimpansen zu Lomela und Nancy. Erst nach und nach kamen weitere Tiere hinzu. Die meisten Streitereien gab es beim Zusammenlassen mit den Antwerpener Weibchen. Das war Vorauszusehen, denn bei Schimpansen gibt es eine Rangfolge aller Männchen untereinander sowie eine eigene Rangfolge aller Weibchen untereinander, in die sich neue Tiere je nach Geschlecht einordnen müssen. „Zum Glück sind die Kollegen in Antwerpen sehr erfahren und haben diverse Absperrmöglichkeiten. So konnten sie sich Zeit lassen und immer mal wieder unterschiedliche Schimpansen zusammenführen oder auch wieder trennen – je nachdem, wie sich die Tiere untereinander verstanden“, lobt Bron die perfekten Voraussetzungen im Belgischen Zoo.

Die Schimpansengruppe ist mittlerweile komplett vereint. Fünf Männchen und ebenso viele Weibchen leben friedlich zusammen. Lomela hat einen Platz weit oben in der Hierarchie der Weibchen eingenommen. Ein Grund ist sicherlich, dass sie in der neuen Gruppe ihre Schwester Kitoto wiedergetroffen hat. Auch wenn das gemeinsame Aufwachsen der beiden im Zoo Münster schon Jahrzehnte zurückliegt, so verbindet diese Verwandtschaftsbeziehung doch. Zudem hat Lomela Nancy auf ihrer Seite. So unterschiedlich die zwei Ex-Nordhornerinnen auch sind, gibt es Streit in der Gruppe, suchen sie die gegenseitige Nähe und Unterstützung. Zoodirektor Dr. Nils Kramer bemerkt dazu: „Das lange Zusammenleben in Nordhorn hat sie zusammengeschweißt, keine Frage. Wir freuen uns alle, dass die Eingliederung so gut geklappt hat und für die beiden ein so schönes neues Zuhause gefunden werden konnte“.

Das Nordhorner Schimpansengehege ist deutlich in die Jahre gekommen, weshalb es demnächst abgerissen wird. Es ist zu sehr verbaut und verwinkelt, um daraus ein der Zeit angemessenes, schönes, neues Gehege aufbauen zu können. Während der Coronazeit gab es nun jedoch eine kurzfristige, sinnvolle Umfunktionierung: so wurde das Außengehege mit dem Teichbereich zum Übergangs-Enten- und Gänsegehege. Die Twentsen Gänse und die Krummschnabel-Enten fühlen sich sichtlich wohl im ehemaligen SchimpansenAußengehege. Sie können im Teich zwischen den vielen Pflanzen gründeln und die Grasfläche um das Schimpansen-Klettergerüst herum abweiden. Derweil konnten die Gärtner die nun tierfreien Flächen fräsen und neu einsäen. Sobald die Grasnarbe dicht ist, ziehen Enten- und Gänse wieder zurück in ihre angestammten Gehege am Vechtebauernhof, wo sie hoffentlich schon bald wieder von den Zoobesuchern gesehen werden können.

Foto: Einblick in eines der sehr gut strukturierten und mit vielen Klettermöglichkeiten versehenen Schimpansen-Außenbereiche in Antwerpen. (Foto Jonas Verhulst, Zoo Antwerpen)